Über die (un)gerechte Verteilung vom Glücklichsein
Wir jammern immerzu. Zu wenig Zeit, zu wenig Geld, zu wenig alles.
Nur Arbeit, Stress und Gewicht haben wir entschieden zu viel.
Wir haben ständig Grund unzufrieden und unglücklich mit unserer Situation und unserem Leben zu sein. Doch haben wir den wirklich?
Diese Frage habe ich mir gestellt, nachdem ich neulich ein zum Nachdenken anregendes Szenario beobachtet habe.
Beim wöchentlichen Einkauf im örtlichen Supermarkt meines Vertrauens (Hauptsache billig) treffe ich jedes Mal einen gut gelaunten Verkäufer einer eher unbekannten Zeitschrift. Er steht täglich vorm Eingang des Geschäfts, begrüßt jeden Kunden und jede Kundin aufs Freundlichste, wünscht ihnen einen schönen Tag und sorgt zudem noch dafür, dass die Einkaufswägen immer säuberlich in einer Reihe stehen.
Unser einer würde einen solchen Job als nicht zufriedenstellend einstufen. Wer will schon jeden Tag ein und derselben faden Tätigkeit nachgehen und dabei immer zu allen freundlich sein müssen? Also ich jedenfalls nicht.
Dieser nette Herr jedoch scheint sichtlich Freude an seinem täglich grüßenden Murmeltier zu haben. Woran das nun auch immer liegen möge. Vielleicht ist sein Leben in diesem Land besser als in seinem Herkunftsland, vielleicht ist er einfach von Grund auf ein positiver Mensch oder hat nie gelernt unglücklich zu sein. Wer weiß das schon.
Jedenfalls bin ich jedes Mal aufs Neue verblüfft darüber, wie gern er offensichtlich seinen wenig lukrativen Job macht, dabei für alle ein herzliches Lächeln übrig hat und mit einer ungewöhnlichen Offenheit auf die Einkaufenden zu geht. Ich denke mir dann: Wie kann jemand, der kein italienischer Radiomoderator ist, nur so gut drauf sein? Und: Warum kann ich nicht mal so gut drauf sein?
Und dann ist da noch die freundliche aber ruhige ältere Dame, die jeden Morgen mit einem Pappbecher vorm Bäcker auf meinem Weg zur Arbeit sitzt. Mit einer angenehmen Zurückhaltung bittet Sie unaufdringlich nach ein paar Münzen. Im Normalfall gehe ich in Gedanken versunken – wie jeder andere auch – an ihr vorbei, ohne mir etwas dabei zu denken. Bis zu dem Tag, als ich Folgendes beobachten durfte:
Der an jenem Tag fröhlich pfeifende Zeitschriften-Verkäufer blieb auf dem Weg zu „seinem“ Supermarkt vor der Bäckerei stehen, kramte ein Geldstück aus seinem Rucksack, warf es wie selbstverständlich in den Pappbecher der bettelnden Frau und setzte seinen Weg fort.
Ich musste kurz stehen bleiben, um meinem Hirn die Möglichkeit zu geben, die soeben beobachtete Szene zu verarbeiten. Was war da eben passiert?
Ein Mensch, der wenig besitzt, gibt einem Menschen, der vermutlich noch weniger besitzt, etwas von seinem hart erarbeiteten Geld ab. Und es wirkte fast so, als ob diese Geste ein tägliches Ritual darstellen würde.
Hand aufs Herz – wie oft habt ihr einem bettelnden Menschen auf der Straße einfach so Geld gegegben? Und ich gehe davon aus, dass ihr mehr besitzt als dieser selbstlose Zeitschriftenverkäufer.
Jedenfalls war mein Weltbild nach der geschilderten Beobachtung ein klein wenig erschüttert und ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Warum ist dieser Mann glücklicher als wir? Ist er es, weil er weniger hat als wir? Ist er glücklicher, weil er ein klein wenig seines Glücks an andere weitergibt?
Vielleicht sind viele von uns gerade deshalb unglücklich, weil wir zu viel des Guten haben. Weniger ist ja bekanntlich mehr. Wenn wir also alle nur ein klein wenig von unserem Glück an unsere Mitmenschen weitergeben, kann das viel bewirken. Denn Glück ist eins der wenigen Dinge, das sich vermehrt, wenn man es teilt.
Es ist schwierig den wahren Grund des Glücklichseins – oder sollten wir besser sagen des Unglücklichseins zu verstehen, da wir Mitteleuropäer meiner Meinung nach alle positiv und dankbar durchs Leben gehen sollten.
Im Vergleich zu vielen Menschen haben wir nie miterleben müssen was „wahre“ Probleme sind. Die jüngeren Generationen unter uns kennen es nicht im Krieg aufzuwachsen, die meisten wissen nicht, wie es ist kein Dach über dem Kopf oder kein Essen auf dem Tisch zu haben und im Vergleich zu so manch anderem, selbst Erste-Welt-Land ist man im Normalfall auch krankenversichert und somit steht einer womöglich nötigen, medizinischen Versorgung auch nichts im Weg.
Und dennoch, wir streben immer nach mehr, vielleicht auch diese von dir angesprochenen Menschen. Vielleicht sind sie glücklicher, weil sie mehr haben, als sie zuvor hatten.
Doch wonach sollten wir unser Glück bemessen? Nach der Relation von dem was wir erreichen, oder nicht doch eher an dem was wir absolut besitzen.
Und erst wenn man Letzteres versteht, wird es denke ich möglich sein, diese Gesten zu verstehen.
Ich kann nur für mich sprechen, aber das Schönste im Leben sind jene Momente wo man anderen eine Freude machen kann. Ich erinnere mich an letzten Herbst, es war ein ziemlich kalter Tag und auf meinem abendlichen Weg ins Pub – etwas gestresst, da ich spät dran war, kam ich an eben einem dort frierenden Menschen und seinem Hund vorbei. Er bat mich um etwas Kleingeld doch ich winkte ab und ging zügig weiter. In den nächsten Momenten ging mir aber das Bild durch den Kopf – seine leere Mütze, da auch nicht viele Menschen unterwegs waren – und nach etwa 100 Metern drehte ich dann doch um, ging zurück und gab ihm etwas.
Es ist schwer zu beschreiben, aber die folgende Reaktion ist genau eine von jenen, die einen glücklich werden lassen, wenn man es nicht sowieso schon ist.
In diesem Sinne kann ich nur sagen, man kann sich mal ein Beispiel an diesem Herrn im Artikel nehmen, vielleicht sieht man sein Leben ja dann auch einmal auf eine bessere Weise 😉
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